8- und 12-Zylindermotoren zum Einsatz in On-Road-, Off-Road- und maritimen Anwendungen wie auch in der Energieerzeugung
Motoren finden in einer Vielzahl von Anwendungen Einsatz. Jede dieser Anwendungen stellt ganz unterschiedliche spezifische Anforderungen an den Motor. Bei der bei MAN ab 2011 entwickelten V-Motorbaureihe D2868/D2862 ist es gelungen, Acht- und Zwölfzylindermotoren in Straßenfahrzeugen, Landmaschinen, Zügen, Yachten, Arbeitsbooten sowie zur Stromerzeugung als Diesel- und Gasaggregate sukkzessive erfolgreich in den Markt zu bringen.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Anwendungen beschrieben sowie aufgezeigt, wie diese Einfluss auf die Auslegung des Grundmotors genommen haben und wie Motoren für die verschiedenen Anwendungen mit möglichst vielen Gleichteilen dargestellt werden konnten.
Das heute aktuelle Produktportfolio kann sich durch Weiterentwicklungen und die aktuelle Abgasgesetzgebung zum Teil deutlich von den im Artikel genannten Produkten und Leistungsspannen unterscheiden.
Bei MAN sollte eine V-Motorenfamilie entwickelt werden, die in den unterschiedlichsten Anwendungen Einsatz findet. Bei MAN werden Anwendungen in vier Bereichen unterschieden:
Anwendungsbedingt ergeben sich für den Motor völlig unterschiedliche Auslastungen bei unterschiedlichen Leistungen.
So existieren Anwendungen mit einer maximalen Nutzung von nur 1.000 Stunden pro Jahr und maximal 20 % Volllastanteil genauso wie Anwendungen mit uneingeschränkter Laufzeit unter 100 % Volllast.
Unterschiedliche Anwendungen unterliegen darüber hinaus ganz verschiedenen Abgasgesetzgebungen, welche vom damals aktuellen Euro 5-/EEV-Standard (2012-2016) über verschiedene Anforderungen der EPA und IMO bis hin zur TA Luft reichen.
Zur Abdeckung eines möglichst großen Leistungsspektrums innerhalb der unterschiedlichen Anwendungen sollte die Motorfamilie als Acht- und Zwölfzylindermotor realisiert werden. Um den Einsatzbereich der Motorenfamilie weiter zu vergrößern, sollte diese neben Diesel auch mit Erd- und Biogas betrieben werden können.
Als Grundmotor wird bei MAN der Teileumfang verstanden, der zwischen allen Anwendungen gleich ist. Dies umfasst im Wesentlichen das eigentliche Triebwerk, bestehend aus:
Das Ziel der Entwicklung des Grundmotors ist es, den Gleichteileumfang über alle Anwendungen hinweg möglichst groß zu halten, um so eine ausentwickelte Basis zu schaffen, auf der neue Anwendungen schnell und sicher realisiert werden können. Für den D2868/2862 ist dieser Grundmotor eine gemeinsame Entwicklung mit Liebherr Machines Bulles SA.
Die Auslegung des Grundmotors erfolgt zunächst für die höchste Leistung. Diese tritt beim zweistufig aufgeladenen Yachtmotor mit Spitzendrücken über 240 bar und einem Mitteldruck von fast 29 bar auf. Alle Triebwerkskomponenten müssen die hier auftretenden Verbrennungskräfte über die gesamte Lebensdauer sicher ertragen können.
Auch die Verbrennungsauslegung erfolgt zunächst für diese Leistungsvariante. Für Motoren mit geringerer Leistung können signifikant höhere Laufzeiten auftreten. Daher muss ergänzend zu obigem Ansatz die Auslegung jeder Triebwerkskomponente auf die Haltbarkeit über die längste Lebensdauer (z.T. bei angepasst reduzierter Leistung) überprüft werden.
Unabhängig davon sind Versuche zur Überprüfung des Motorgesamtsystems jeder Anwendung obligatorisch. Entstanden ist ein Motor mit 90 °-Bankwinkel, einem Hubraum von 2 l pro Zylinder mit 128 mm Bohrung und 157 mm Hub, mit untenliegender Nockenwelle und vier Ventilen pro Zylinder.
Für eine hohe Variabilität in der Zylinderzahl ist der Motor mit Einzelzylinderköpfen ausgestattet. Um die Abgasnormen diverser Anwendungen zu erfüllen und hohe Einspritzdrücke zu erreichen, wurde ein Common-Rail-Einspritzsystem gewählt.
Den hohen auftretenden Gaskräften bei hohen Leistungen geschuldet, erfolgt die Verschraubung der Kurbelwelle an den Hauptlagern nicht mit einzelnen Lagerdeckeln, sondern – unüblich für diese Motorgröße – über ein Kurbelgehäuseunterteil (sog. Bedplate). Durch die hohe Steifigkeit der Bedplate und die optimierte Verschraubung gegen das Kurbelgehäuse ist so eine sichere Lagerung der Kurbelwelle auch bei höchsten Leistungen gewährleistet.
Bei dem Aufbau des Grundmotors wurden die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Anwendung berücksichtigt.
Dies gilt auch für On-Road-Fahrzeuge. So ist in klassischen Zugmaschinen das Einbauverhältnis sehr beengt, da sie häufig mit kompakteren Sechszylindermotoren ausgestattet sind.
Neben dem breiten Drehmomentband und einer kräftigen Beschleunigung ist v.a. ein geringes Motorgewicht ein entscheidendes Konstruktionskriterium, da es sich direkt in einer gestiegenen Zuladung wiederfindet.
Motoren im Off-Road-Bereich müssen häufig in vorhandene Motorräume integriert werden. Diese sind, je nach Anwendung, sehr unterschiedlich. Für viele Bahnanwendungen müssen die Motoren mit sehr geringer Bauhöhe ausgeführt sein. Diese Packagingrestriktion kann durchaus Einfluss auf die Gestaltung des Grundmotors haben. Auf Grund der engen Bauräume, vor allem in Landmaschinen, muss besonderes Augenmerk auf die Übergabestellen von Abgas und Ladeluft gelegt werden. Auch die Belastung des Triebwerks ist anwendungsabhängig unterschiedlich.
Bei Bahnmotoren können hohe Temperaturwechselbelastungen auftreten. Diese resultieren aus dem typischen Betrieb eines Regionalzuges: Anfahrt des Zuges am Bahnhof mit starker Beschleunigung, Rollfahrt, Bremsen bei Erreichen des nächsten Bahnhofs in ständiger Wiederholung.
Im Landmaschinenbereich muss der Motor mit einer steigenden Drehmomentcharakteristik ausgelegt werden, so dass die Maschinen mit Überdrehzahl in das Ernte- oder Häckselgut fahren können und bei Verarbeitungsbeginn bei dann absinkender Drehzahl ein ausreichend hohes Drehmoment zur Verfügung steht.
Einige weitere Anforderungen von Off-Road-Anwendungen sind häufig sehr hohe Laufzeiten, der Einsatz in sehr staubigen Umgebungen (wie z.B. bei Ackerhäckslern) und hohe Schwingungsbelastungen durch nicht-elastische Motorlagerungen.
Neben den erwähnten Einsätzen in Landmaschinen und Zügen finden Off-Road-Motoren auch in Baumaschinen Einsatz. Die Leistungsspanne der Motoren reicht von 401 kW bis 500 kW (545 PS bis 680 PS) beim V8- und 588 kW bis 883 kW (800 bis 1200 PS) beim V12-Motor.
Motoren zur Stromerzeugung werden entweder als Dauerstromerzeuger (COP: Continuous Power), zur Spitzenlastdeckung (PRP: Prime Power) oder als Notstromaggregat (LTP: Limited Time Running Power und ESP: Emergency Standby Power) eingesetzt.
Je nach Betriebsart unterscheiden sich die Leistung und die zulässige jährliche Betriebsdauer wie folgt: 50 Stunden p.a. für Notstromaggregate, unbegrenzt bis zu 24 Stunden täglich für Dauerstromerzeuger.
Stromaggregate bestehen in der Regel aus dem Motor mit vorgebautem Kombinationskühler zur Ladeluft- und Kühlmittelkühlung und einem angeflanschten Generator.
Alle Motoren zur Stromerzeugung werden bei konstanter Drehzahl betrieben: 1.800 min-1 für 60 Hz, 1.500 min-1 für 50 Hz Wechselspannung. Bei dem Betrieb mit angeflanschtem Generator treten weitere Belastungen des Triebwerks auf. Die Generatorwelle stüzt sich auf der Kurbelwelle ab, was bei der Kurbelwellenauslegung und der Torsionsschwingungsberechnung berücksichtigt werden muss.
Zusätzlich können auf Grund der Frequenzregelung des gesamten Stromaggregates Schwankungen im Stromnetz als Drehmomentstöße an den Motor weitergegeben werden. Der Einsatzort muss auch berücksichtigt werden. So werden die Motoren teilweise nur gering geschützt in staubiger Umgebung, wie der Wüste, oder in großen geodätischen Höhen bis zu 4.000 m mit geringem Sauerstoffgehalt in der Luft eingesetzt.
Neben dem Betrieb mit Diesel ist der Motor auch für den Betrieb mit Erd- und Biogas ausgelegt. Diesen Motor gibt es mit Leistungen von 270 kW bis 580 kW. Für den Betrieb mit Gas wurden ein eigener Zylinderkopf, ein eigener Kolben und eine eigene Zylinderlaufbuchse entwickelt. Die restlichen Triebwerksteile sind identisch mit denen des Dieselmotors. Zum Vergleich: Dieselaggregate als V12-Motor weisen Leistungen von 700 bis 1.117 kW auf.
Marinemotoren sind durch die spezielle Einbausituation auf Schiffen gekennzeichnet. So werden Marinemotoren mit Seewasser gekühlt. Die Kühlung erfolgt zunächst direkt durch die Ladeluft, dann über einen Plattenwärmetauscher das Motorkühlmittel.
Darüber hinaus sind aufwändige Maßnahmen zur Einhaltung der geltenden gesetzlichen Vorschriften auf Schiffen notwendig. Die „International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS)“ fordert unter anderem eine maximale Oberflächentemperatur des Motors von 220 °C.
Hierfür wurde ein wassergekühltes Abgassystem installiert, bei welchem die hochtemperaturfesten abgasführenden Bauteile (Abgasrohr, Turbolader) über einen Luftspalt durch wassergekühlte, doppelwandige Aluminiumschalen isoliert sind. Für den Einsatz auf Arbeitsbooten gelten darüber hinaus häufig weitere Vorschriften sogenannter Klassifikationsgesellschaften, wie z.B. dem Germanischen Lloyd. Arbeitsboote können häufig nur nach Abnahme durch eine dieser Gesellschaften betrieben oder auch versichert werden.
Ziel ist dabei immer die Sicherheit der Passagiere und der Besatzung an Bord. So müssen Motoren u.a. mit redundanten Sensoren und doppelwandigen Einspritzleitungen ausgestattet sein. Der weitestgehende Verzicht auf Schläuche und das Vermeiden bestimmter Werkstoffe, wie Aluminium im Kraftstoffbereich, soll die Feuerbeständigkeit erhöhen.
Das Triebwerk wird auch im Bereich der Marinemotoren ganz unterschiedlich belastet. Der Einsatz auf Yachten ist durch sehr hohe Leistungen und der Forderung nach sehr hohen Beschleunigungswerten, bei allerdings geringen jährlichen Laufzeiten, gekennzeichnet. Für die höchsten Leistungsstufen ist der Motor mit einer zweistufigen Turboaufladung mit Zwischenkühler (zwei Turbolader je Bank) ausgestattet.
Im Arbeitsbootbereich hingegen sind robuste Motoren mit langen Laufzeiten bei geringeren Leistungen gefordert. Typische Arbeitsboote sind z.B. Schub- und Schleppkähne, Passagierfähren, Lotsenboote, Fischkutter, Ausflugsschiffe, Patrouillenboote. Alle diese Boote sind mindestens mit Doppelmotorenanlagen (zwei Motoren pro Schiff) ausgestattet.
Bei der Auslegung des Grundmotors sind alle anwendungsspezifischen Anforderungen eingeflossen. Über alle Anwendungen hinweg konnten auf Sachnummernebene ca. 450 Gleichteile genutzt werden. Dies entspricht bei einer Gesamtanzahl von ca. 1.150 Teilen für einen On-Road-Motor und ca. 1.950 Teilen für einen Marine-Motor einem Prozentsatz von ca. 25 bis 40 Prozent.
Durch das konsequente Verfolgen der einzelnen Anforderungen konnten auch für Anwendungen mit geringerer Stückzahl kostengünstige Lösungen gefunden und spätere Änderungskosten vermieden werden. So wurden beispielsweise der Bauraum und die Anschlusspunkte für zusätzliche Sensoren bei klassifizierten Marinemotoren von Beginn an vorgehalten, so dass diese ohne Aufwand und Kosten an Motorbauteilen integriert werden konnten.
Häufig erscheinen bei der Auslegung einzelne Anforderungen der Anwendungen gegensätzlich. So steht die Haltbarkeit bei hohen Leistungen (und damit einhergehend hohen Gaskräften) der Forderung nach möglichst geringem Gewicht bei Motoren mit geringer Leistung entgegen. Um trotzdem Gleichteile sinnvoll einsetzen zu können, wurde eine Vielzahl signifikanter Bauteile optimiert. Beispielsweise hat die Bedplatebauweise zu einer robusten und sehr steifen Konstruktion geführt, die auch für Motoren mit geringer Leistung Vorteile aufweist.
In verschiedenen Bereichen wurde aber dennoch bewusst auf Gleichteile verzichtet. Um die verschiedenen anwendungsspezifischen Drehmomentverläufe und Leistungen sinnvoll abbilden zu können, werden Kolben mit unterschiedlichem Schliffbild und unterschiedlicher Verdichtung sowie angepasste Ventile eingesetzt.
So kann neben hauptsächlich softwaretechnischen Variationen in der Einspritzung und der Turboladerauslegung die Effizienz der einzelnen Motoren signifikant gesteigert werden.
Sowohl an der Ölpumpe als auch an der Kühlmittelpumpe werden für verschiedene Fördermengen unterschiedliche Zahnradbreiten eingesetzt.
Unter Berücksichtigung der naturgemäß eher geringen jährlichen Stückzahlen von Motoren in der Hubraumklasse von 16 bis 24 Litern bietet die Gleichteilstrategie Kostenvorteile zum einen durch die geringere Anzahl an Teilen selbst, z.B. im Bereich Lagerhaltung, zum anderen auch durch höhere Stückzahlen je Bauteil.
Der weitaus größere Vorteil besteht aber darin, dass ein ausentwickelter Grundmotor entstanden ist, auf dessen Basis schnell und sicher neue Varianten für verschiedene Anwendungen abgeleitet werden konnten und können. So wird ein breites Anwendungsportfolio mit robusten und erfolgreichen Motoren geschaffen.
Bei der MAN V-Motorenbaureihe D2868/D2862 ist es gelungen, mit einer Vielzahl an Gleichteilen spezifische Motoren für unterschiedlichste Anwendungen aus nur einem Grundmotor abzuleiten.