Was sollten deiner Meinung nach alle Menschen über Autismus wissen?
DOMINIC: Autismus ist keine Krankheit. Ich sage daher „ich bin Autist“ und nicht „ich habe Autismus“. Stattdessen bedeutet es einfach, neurologisch anders als die Norm zu sein, aber damit nicht falsch. Ich wünsche mir, dass die Menschen akzeptieren und anerkennen, dass es Personen gibt, die komplett anders denken und wahrnehmen. Die Menschen sollten am liebsten mit uns, anstatt über uns sprechen, damit Autisten nicht aus ihrer eigenen Themendebatte ausgegrenzt werden.
Wie geht es Autisten in der Arbeitswelt?
DOMINIC: Wir Autisten werden oft in eine Außenseiterrolle gedrängt, erfahren häufig Ablehnung durch das soziale Umfeld, bis hin zu sozialen Vergeltungsmaßnahmen wie Mobbing. Das kommt vor allem aus der sozialen Unangepasstheit in unserer Kommunikation. Je nach den Umständen können wir absolute Low- oder High-Performer sein. Diese und andere Gründe führen dazu, dass wohl nur fünf Prozent von uns eine Arbeitsstelle haben, obwohl viele große Innovationen auf Autisten oder ADHSler zurück gehen. Um in der Arbeitswelt bestmöglich zurecht zu kommen, betreiben wir oft extrem kraftraubendes „Masking“ – wir versuchen, uns bestmöglich anzupassen und nicht aufzufallen. Durch diesen Dauerstress ist unsere Lebenserwartung statistisch gesehen 16 Jahre geringer.
Du bezeichnest dich selbst als neuro- und kulturdivers. Was meinst du damit?
DOMINIC: Als Autist und ADHS-ler bin ich neurodivers. Durch die Kombination aus Beidem ist mein Gehirn extrem assoziativ vernetzt. Ständig laufende Assoziationen triggern so viel an Gedanken und Vorstellungen, dass mein Gehirn dann einfach seinen Lauf nimmt und mein Fokus abgleitet. Daher liegt zum Beispiel auf meinem Schreibtisch nur das, was ich wirklich brauche. Und fast immer trage ich bei der Arbeit Kopfhörer, die Umgebungsgeräusche gut abhalten. Sonst lenkt mich zu viel ab.
Als kulturdivers beschreibe ich mich, da ich als Kind einer deutschen Auswandererfamilie bis zum 12. Lebensjahr in den USA aufgewachsen bin, die meiste Zeit davon auf der hawaiianischen Insel Oahu. Besonders war dort, dass fast alle Inselbewohner einen Migrationshintergrund hatten und es daher keine „Leitkultur“ gab. Für uns Kinder war es völlig normal, dass jeder zuhause eine andere Sprache sprach, anderes Essen aß, eine andere Religion hatte, andere Feste feierte und andere Gewohnheiten hatte. Als Autist auf dieser Insel voller diverser und offener Menschen bin ich gar nicht negativ aufgefallen und hatte auch keine Probleme.
Bringt die Kombination mit ADHS noch weitere Besonderheiten mit sich?
DOMINIC: Die Kombination ist wie eine Special-Edition der Neurodiversität, denn auch bei Autisten gibt es natürlich ein ganzes Spektrum. Ohne ADHS sind die Leute wohl öfters introvertierter und strukturierter. Durch die Kombi mit ADHS ist das kreative, das „Out of the box“-Denken noch stärker ausgeprägt. Das kann man sich bildlich so vorstellen: ADHS ist wie der Wind, der durch das Fenster rein weht und die Blätter auf dem Tisch durcheinanderbringt und völlig anders zueinander würfelt. Dadurch entstehen neue Assoziationen und Innovationen können durch Zufall entstehen.
Wie geht es dir in der Arbeitswelt?
DOMINIC: Ich sehe mich als „Hund in einer Katzenwelt“, der für eine „kranke Katze“ gehalten wird. Ich sehe nur aus wie eine Katze, aber bin ein Hund. Ich kommuniziere anders, eben wie ein Hund, der bellt und rumspringt. Katzen nehmen das als Bedrohung wahr und fahren die Krallen aus. Das ist also ein völliges Missverständnis in der Kommunikation. Aus den schlechten Erfahrungen verändert man sich und so fängt der Hund an, zu versuchen, sich wie eine Katze zu verhalten. Das klappt manchmal mehr und manchmal weniger.