MAN Engines

„Wir werden alle Technologien brauchen“

Entwicklungsleiter Werner Kübler vor stationärem Wasserstoffverbrennungsmotor
Im Fokus:

Werner Kübler ist Entwicklungsleiter von MAN Engines. Er sieht in Zukunft Raum für ganz verschiedene Antriebsarten – maßgeschneidert für die jeweilige Anwendung.

Klimaschutz ist ein Top-Thema, und in der öffentlichen Diskussion gelten batterieelektrische Antriebe oft als einzig nachhaltige Lösung. Wieso bieten Sie in Zukunft nicht ausschließlich solche Antriebe an?

Weil sich batterieelektrische Lösungen derzeit nicht für alle Anwendungen eignen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Mähdrescher ist nur vier Wochen im Jahr im Einsatz, dann aber rund um die Uhr. Außerdem benötigt er eine sehr hohe Leistung von rund 1.000 Kilowatt. Mit Diesel ist das kein Problem, denn wir können die Tagesration im Tank gut unterbringen und bei Bedarf schnell nachfüllen, zum Beispiel über einen mobilen Tankwagen am Feld. Wollte man den Mähdrescher elektrisch antreiben, würden die Batterien für zehn Stunden elektrischen Betrieb heute 15 Tonnen wiegen. Nachladen ist nicht möglich, weil das viel zu viel Zeit kosten würde. Also müsste man eine oder zwei Ersatzbatterien bereithalten, was viel zu teuer und unpraktisch wäre. Aber auch der Betrieb mit Wasserstoff ist in diesem Beispiel nicht möglich, weil man 5.000 Liter im Mähdrescher unterbringen müsste – in Drucktanks. Dafür fehlt schlicht der Platz.

Traktor mit klimaneutralem HVO, B100 oder eFuels betrieben

Diesel-Alternative: Mit HVO, B100 oder eFuels lassen sich Landfahrzeuge klimaneutral betreiben.

Also wird es hier beim Diesel bleiben?

Vorerst ja. Aber das CO2 kommt ja nicht vom Motor, sondern vom Kraftstoff. Wenn wir statt fossilem Diesel alternative Kraftstoffe wie B100, HVO oder eFuels einsetzen, können wir die große Flotte von Landfahrzeugen in Zukunft lokal emissionsfrei betreiben. Und darauf kommt es ja an. Diese neuen Kraftstoffe sind derzeit zwar noch teurer als Diesel, es gibt aber schon Pläne für große Produktionsanlagen. Dadurch dürfte der Preis in Zukunft deutlich sinken.

Nutzfahrzeuge von MAN Truck & Bus mit batterieelektrischen Antrieben

Vorreiter: MAN Truck & Bus setzt bei seinen Nutzfahrzeugen auf batterieelektrische Antriebe.

Gegen synthetische Kraftstoffe wird oft der geringe Wirkungsgrad des Produktionsprozesses ins Feld geführt. Wie sehen Sie das?

Der Wirkungsgrad von batterieelektrischen Antrieben ist natürlich höher. Deshalb setzen wir für die Lkw und Busse bei MAN Truck & Bus überwiegend auf batterieelektrische Lösungen. Darüber hinaus gibt es jedoch Anwendungen, bei denen solche Lösungen nicht praktikabel oder gar umsetzbar sind. Das können Fahrzeuge und Maschinen von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben sein oder auch sperrige Schwertransporte. Dort sehe ich Möglichkeiten für solche Kraftstoffe vor allem im hohen Leistungsbereich.

Batterieelektrische Antriebe haben also keine Chance bei Hochleistungs-Anwendungen?

Natürlich gibt es ständige Verbesserungen. In den nächsten fünf bis zehn Jahren sehe ich aber keine Sprünge in solchen Größenordnungen, wie wir sie etwa für einen Mähdrescher oder andere Land- und Baumaschinen mit hohem Leistungsbedarf bräuchten. Und es kommt noch etwas hinzu: Wir als MAN Engines dürfen die anderen Weltregionen nicht außer Acht lassen, die sich nicht so schnell elektrifizieren werden wie wir. Dort wird es noch lange eine Nachfrage nach Verbrennungsmotoren geben. Am besten in Kombination mit klimafreundlichen Kraftstoffen, damit dort auch heute schon Antriebe CO2-reduziert betrieben werden können.

Klimafreundlich sind auch Bio- und Klärgase. Was bieten Sie Ihren Kunden in diesem Bereich?

Wir haben schon eine große Zahl an Bio- und Klärgasmotoren gebaut, die weltweit in Betrieb sind. Übrigens wäre auch synthetisches Methan ein klimafreundlicherer Kraftstoff, den man – auch mit beigemischtem Wasserstoff – problemlos in unseren Gasmotoren verbrennen und somit ihre Einsatzdauer verlängern könnte. Wir sollten nie vergessen, dass das Erdgasnetz der größte Energiespeicher in Deutschland ist und vier Monate lang Energie ohne Nachschub liefern kann.

Wo sind Hybridantriebe besonders sinnvoll?

Zum Beispiel im Marine-Bereich. Man kann elektrisch und geräuscharm lautlos in den Hafen hinein und wieder heraus fahren. Außerdem liefert die Batterie im „Hotel-Mode“ nachts lautlos Strom, sodass das Bordaggregat ausgeschaltet bleiben kann. Während der Fahrt bringt die Kombination aus Diesel- und Elektromotor auch Vorteile: Normalerweise werden die zwei Dieselmotoren an Bord in Teillast betrieben, was den Wirkungsgrad verschlechtert. Bei einem Hybridantrieb kann man einen Motor ausschalten, und den anderen in Volllast betreiben. Er liefert dann Strom für den zweiten Propeller.

Boot mit Hybridantrieb ankert emissionslos und vibrationsfrei

Maximale Effizienz: Emissionslos und vibrationsfrei ankern beim Hybridantrieb.

Wasserstoff-Eindüsung am Dual Fuel-Motor des Arbeitsschiffes Hydrocat 48

Alternativer Antrieb: Wasserstoff-Eindüsung am Dual Fuel-Motor des Arbeitsschiffes "Hydrocat 48".

Wo steht MAN Engines bei Wasserstoffantrieben für Offroad- oder Marineanwendungen?

Aus Sicht des Motorenbaus ist Wasserstoff kein Problem für uns, und wir arbeiten derzeit intensiv an neuen Produkten. Stationäre Wasserstoffmotoren ließen sich zum Beispiel für die Rückverstromung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff nutzen. Dank Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) entsteht dabei auch nutzbare Wärme, sodass der Gesamtwirkungsgrad solcher Anlagen sehr hoch ist – mit deutlich reduzierten CO2-Emissionen. Man kann aber auch Pistenraupen mit einem Wasserstoffmotor ausstatten, weil es dort genügend Platz für die Drucktanks gibt. Interessant sind auch Dual-Fuel-Lösungen: Einen Autokran könnte man zum Beispiel je nach aktueller Leistungsanforderung mit 20 bis 80 Prozent Wasserstoffanteil betreiben. Wenn nur der Kran oder das Seil bewegt werden muss, sind bis zu 80 Prozent Wasserstoff möglich. Bei der Fahrt auf einer steil ansteigenden Straße muss der Dieselanteil hingegen stark erhöht werden. Darüber hinaus brauchen wir den Diesel beim Wasserstoff-Dual-Fuel-Motor für die Zündung des Gemisches. Das könnte in Zukunft aber auch mit HVO geschehen.

Wir sind jetzt viele mögliche Antriebstechnologien durchgegangen. Wie lautet Ihr Fazit?

Ganz einfach: Wir dürfen uns keiner Lösung verschließen, wenn wir den CO2-Ausstoß reduzieren wollen. Denn wir werden alle Technologien brauchen – von synthetischen Kraftstoffen bis hin zu batterieelektrischen Antrieben. Synthetische Kraftstoffe werden schon deshalb unverzichtbar sein, weil es weltweit etwa 1,5 Milliarden Bestandsfahrzeuge und rund 700 Millionen fossil angetriebene Maschinen gibt. Hinzu kommen die wachsende Weltbevölkerung und der steigende Lebensstandard, die den Energiebedarf weiter in die Höhe treiben werden. Wenn wir unter diesen Umständen unsere Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir künftig einen bunten Mix aus verschiedensten Antrieben.