MAN Engines

Vom Reststoff zum erneuerbaren Diesel

Raffinerie von Neste in Rotterdamm
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Zweite Karriere für gebrauchtes Speiseöl: Das finnische Unternehmen Neste macht daraus und aus anderen Abfällen erneuerbaren Diesel, auch bekannt als HVO100. MAN Engines hat viele seiner Motoren für diesen Kraftstoff freigegeben.

Gebrauchtes Speiseöl, Fischabfälle oder Fett aus der Fleischproduktion: Neste mit Sitz im finnischen Espoo macht aus diesen und anderen Reststoffen einen Kraftstoff, der die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um bis zu 90 Prozent reduzieren kann. HVO (Hydrotreated Vegetable Oil, zu Deutsch: hydriertes Pflanzenöl) ist ein perfekter Ersatz für fossilen Diesel, weil er sich ohne Anpassungen am Motor sofort für alle Dieselmotoren einsetzen lässt. HVO stößt dabei größtenteils nur dasjenige CO2 aus, das zuvor in den Ausgangsstoffen gebunden worden ist. „Durch diesen geschlossenen Kreislauf können wir die Kohlendioxid-Emissionen im Transportbereich um bis zu 90 Prozent verringern“, erklärt Mats Hultman, Head of OEM Partnerships bei Neste.

Mats Hultman Neste

© Neste. Überzeugt von HVO: Mats Hultman von Neste will die Bekanntheit erneuerbaren Diesels steigern.

Neste-Kunden aus 28 Ländern mit erneuerbarem Diesel beliefert

Kein Wunder also, dass Dutzende Unternehmen weltweit mit Neste kooperieren – darunter McDonald’s, Coca-Cola Europacific Partners in den Niederlanden und IKEA. Auch viele Dieselmotoren von MAN Engines sind für den Einsatz von HVO freigegeben. „Unseren Kunden ist wichtig, dass sie mit HVO ihren CO2-Ausstoß sofort und kostengünstig verringern können“, berichtet Hultman. „Zu unseren ersten Partnern gehörten Busunternehmen in Skandinavien, inzwischen interessieren sich aber auch immer mehr Logistiker, Blockheizkraftwerk-Betreiber oder Datenzentren für den Kraftstoff.“ Sie alle können ihre bestehende Infrastruktur weiterhin nutzen, werden zugleich aber deutlich nachhaltiger. Neste ist außerdem führender Hersteller von nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) und erneuerbaren Rohstoffen für verschiedene Anwendungen in der Polymer- und Chemieindustrie.

Maßgeschneiderte Kohlenwasserstoffe

Die Herstellung des erneuerbaren Diesels beginnt mit dem Einsammeln von Rest- und Abfallstoffen, die Neste aus aller Welt bezieht. Sie werden in einer der Raffinerien in Finnland, Singapur und den Niederlanden zuerst gereinigt. Danach wird mithilfe von Wasserstoff jeglicher Sauerstoff aus den Molekülen entfernt, sodass reine Kohlenwasserstoffe übrigbleiben.

Gegründet 1948, hatte Neste eine vorrangige Aufgabe: Das Unternehmen sollte Finnlands Ölversorgung sicherstellen und die Abhängigkeit vom Nachbarn Russland verringern. Bereits Mitte der 1990er-Jahre ließ Neste die hauseigene NEXBTL-Technologie patentieren, um Fette in Moleküle umzuwandeln, die fossile Rohstoffe in der Kraftstoffproduktion ersetzen können. Gut zehn Jahre später investierte das Unternehmen in industrielle Produktionsanlagen in Porvoo (Finnland), Rotterdam und Singapur. Die Produktion von erneuerbarem Diesel begann 2007 in einer ersten NEXBTL-Raffinerie im finnischen Porvoo.

Aktuell beträgt die Produktionskapazität von Neste für erneuerbare Produkte 3,3 Millionen Tonnen weltweit. Sie soll bis Anfang 2023 auf 5,5 Millionen Tonnen erhöht werden. Bis 2026 will der weltweit größte Hersteller von erneuerbarem Diesel und nachhaltigem Flugbenzin diese Menge auf 6,8 Millionen Tonnen erhöhen. „Allein 2022 haben unsere erneuerbaren Produkte den Ausstoß von mehr als elf Millionen Tonnen Treibhausgase vermieden, was dem jährlichen CO2-Fußabdruck von vier Millionen Pkws entspricht“, rechnet Hultman vor.

Erneuerbarer Diesel von Neste

© Neste. Nachhaltige Innovation: Seit 2007 stellt Neste den erneuerbaren Diesel her.

Erneuerbarer Diesel vs. fossiler Diesel

© Neste. Klare Sache: HVO (links) verbrennt wesentlich sauberer als herkömmlicher Diesel.

Keine Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau

Dabei soll es aber nicht bleiben. „2019 wurden weltweit etwa 4,5 Milliarden Tonnen Öleinheiten verbraucht, davon 2,7 Milliarden Tonnen für Mobilität und Transport“, so Hultman. „2020 haben erneuerbare Kraftstoffe bereits fast 100 Millionen Tonnen Öleinheiten ersetzt, und 2040 könnten es bereits mehr als 1.000 Millionen Tonnen sein.“ Einen Mangel an Rohstoffen für die HVO-Produktion sieht er nicht: Jedes Jahr stünden allein 50 Millionen Tonnen Reststoffe wie Speiseöl zur Verfügung, zudem ließen sich in Zukunft auch Algen, Holzreste (Lignocellulose) sowie Haushalts- und Plastikabfälle zu erneuerbaren Kraftstoffen verarbeiten. „Insgesamt wären das deutlich mehr als 1.000 Millionen Tonnen Rohmaterial pro Jahr“, sagt Hultman. „Wichtig ist aber auch, dass wir dabei keine Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln sind.“

Technisch steht dem zunehmenden Einsatz der erneuerbaren Kraftstoffe also nichts im Weg. Um ihnen weiter zum Durchbruch zu verhelfen, ist aus Hultmans Sicht nun die Politik gefragt: „Dort weiß man aber leider oft nur sehr wenig über HVO, sodass wir permanent Aufklärungsarbeit leisten müssen. Dabei könnte man mit erneuerbaren Kraftstoffen sofort und ohne Anpassungen an bestehenden Motoren die Treibhausgasemissionen senken.“

Header-Bild: © Neste