18.03.2021
Während in Deutschland schon der Frühling für milde Luft sorgt, herrscht in Norwegen noch tiefster Winter. Temperaturen bis zu minus 40 Grad, Schneestürme, null Sicht: Das ist für den jungen Ola Andersen ein ganz normaler Arbeitstag. Mit Hilfe seines MAN TGS sichert er der norwegischen Gemeinde Rødberg eine wichtige Lebensader.
Es ist 7 Uhr, Arbeitsbeginn in Rødberg und obwohl sich die Sonne noch hinter den Gipfeln versteckt, liegt ein mystisches blaues Licht über dem schneebedeckten Tal. Die Norweger nennen diese Tageszeit „blåtimen“, die blaue Stunde - das perfekte Licht für eine Ansichtskarte. Doch der verlockende Anblick ist trügerisch. Draußen herrscht eine Temperatur von minus 34 Grad. Wer sich ohne geeignete Winterkleidung ins Freie wagt, und sei es nur für ein paar Minuten, riskiert Unterkühlung und Erfrierungen.
„Es ist ein außergewöhnlich kalter Winter in diesem Jahr. Normalerweise sind es nur etwa minus 20 Grad. Trotzdem beklagen wir uns nicht. Der Rekord liegt bei minus 43“, erklärt Ola Andersen beiläufig. Bei solchen extremen Temperaturen muss man die gewohnten Abläufe über den Haufen werfen. Die Einheimischen lassen ihr Auto morgens an und lassen es laufen, selbst beim Tanken an der Tankstelle.
Aber Ola Andersen macht sich keine Sorgen: Obwohl der MAN TGS 33.510 die ganze Nacht draußen in der klirrenden Kälte stand, springt der Truck gleich auf Anhieb anstandslos an. Jedoch sind nicht alle Motoren so entgegenkommend. Viele Besucher in dieser Gegend können ihre Autos oft nicht mehr starten, weil das zu kalte Öl jede Bewegung des Motors unterbindet. Ola hat eine eher unorthodoxe Lösung für dieses Problem. „Ich hatte einen alten Pickup, der sich weigerte, bei der Kälte anzuspringen, also zündeten wir ein Feuer unter dem Auto an. Hat prima funktioniert!“
Mit seinen 21 Jahren ist Ola Andersen bereits ein routinierter Lkw-Fahrer. Mit 18 Jahren erwarb er den Truck-Führerschein und arbeitet seitdem Vollzeit hinter dem Steuer. Und das Fahren liegt ihm im Blut: Sein Vater Ronny Andersen gründete 1996 die Numedal Graving og Transport AS, das Familienunternehmen, für das auch Ola fährt. In den Monaten außerhalb des Winters liegt der Schwerpunkt des Unternehmens auf Straßenbau, Schwerlasttransport und Bauleistungen.
Die Region Numedal, in der das beschauliche Rødberg liegt, hat sich dank derjenigen, die einen idyllischen Standort für ihre Wochenendhütte suchen, schnell entwickelt. Gerade einmal drei Autostunden nordwestlich der Hauptstadt Oslo sind die Berge gut erreichbar. Im Sommer bieten sich vielfältige Möglichkeiten zum Angeln, Wandern und Radfahren. In den Wintermonaten sogar noch mehr, mit Eisfischen, alpinem Skifahren und endlosen Kilometern an Langlaufloipen.
Wenn der Winter einsetzt und den Schnee bringt, ist Ola gefragt. Denn die Gebirgsstraßen sind die Lebensader für die örtliche Bevölkerung. Mit seinem MAN-Truck trägt er entscheidend dazu bei, die Straßen offen zu halten.
„Wir sind dafür verantwortlich, die Straßen nicht nur schneefrei, sondern auch in einem Zustand zu halten, in dem sie für jeden sicher befahrbar sind“, erklärt Ola. Denn die meisten Fahrzeuge aus der Stadt fahren hier ohne Allradantrieb und auf normalen Winterreifen ohne Spikes. Es ist also ein fortwährender Kampf gegen die Elemente. „Wenn die Straßen auch nur für ein paar Stunden gesperrt würden, wären die Auswirkungen auf die Bevölkerung beträchtlich“, erzählt der junge Lkw-Fahrer.
„Wir fahren zwei Trucks zum Schneeräumen: Einen MAN TGS 33.510 6X6 BB und einen TGS 41.510 8X6 BB. Im Schnee sind sie einfach gigantisch. Egal wie extrem das Wetter ist, ich kann mich immer auf sie verlassen.“ Sechs-Rad-Antrieb, Blattfedern vorne und hinten sowie eine Differentialsperre mögen erstmal übertrieben erscheinen. In dieser rauen Region Norwegens ist das allerdings die notwendige Ausstattung.
„Viele Trucks sind bei widrigen Bedingungen auf Schneeketten angewiesen. Ketten im Schneesturm aufzuziehen ist kein Vergnügen und würde uns wertvolle Zeit für das Räumen rauben. Beim sechsradangetrieben TGS brauchen wir sie nur ganz selten.“
Auf den steilen Bergstraßen beeindruckt Ola mit seinen Fahrkünsten. Ruhig und ohne zu Zögern wendet er seinen Lkw auf Straßen, die kaum breit genug für zwei Autos sind. Er fährt um Hindernisse und Verkehrsschilder exakt herum und räumt dabei Hunderte von Kilogramm Schnee pro Sekunde bei Geschwindigkeiten von bis zu 40 Stundenkilometern. Die 20 Meter hohe Schneewolke, die der Pflug erzeugt, bietet einen spektakulären Anblick. Hunderte Stunden Praxis sind nötig, um auf diesem Niveau mit der linken Hand zu lenken und gleichzeitig den Pflug mit der rechten Hand über einen Joystick laufend zu bedienen. Dem Rhythmus der Straßen zu folgen und dabei vorausschauend auf auftretende Schwierigkeiten zu reagieren, ist Ola in Fleisch und Blut übergegangen. Genaue Ortskenntnis ist jedoch ebenso wichtig. „Man muss einen kühlen Kopf bewahren. Überall lauern versteckte Gefahren. Die Viehgitter beispielsweise liegen knapp unter dem Schnee verborgen und die Warnschilder sind leicht zu übersehen. Wenn ich mit dem Pflug eines von denen erwische, könnte eine Metallstange durch die Frontscheibe fliegen“, weiß Ola.
Am höchsten Punkt, dem Vastuland, 1100 Meter über dem Meeresspiegel, kann sich das Wetter ohne Vorwarnung schlagartig verschlechtern. „Bei starkem Wind und Schneestürmen ist die Sicht nahezu null und man verliert schnell die Orientierung. Wenn du dich da nicht konzentrierst, landest du schnell auf der falschen Seite der Markierungsstangen. Und das ist kein wirklich guter Ort, oder?“
Den meisten Lkw-Fahrern wären die vielen Stunden allein in den Bergen ein zu einsamer Arbeitsplatz. Aber für Ola ist es ideal: „Hier oben habe ich das Sagen und ich genieße die damit verbundene Verantwortung. Kein Tag ist wie der andere, ich weiß nie, was auf mich zukommt. Das ist nicht einfach nur ein Job. Es ist eine Lebenseinstellung. Wir alle haben eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft, ich leiste nur meinen Beitrag.“
Die Numedal Graving og Transport AS ist seit der Gründung in den 1990er Jahren auf rund 17 Vollzeitmitarbeiter angewachsen. Neben Ola arbeitet auch der jüngere Bruder Lars für das Familienunternehmen. Ronny Andersens Fahrer sind für die 150 Kilometer an örtlichen Bergstraßen zuständig, die sich vom Stadtzentrum Kongsbergs bis zum beliebten Skiort Geilo erstrecken. „Zuverlässige Trucks sind für unser Geschäft unerlässlich. Das Wetter diktiert unsere Arbeitszeiten und wartet nicht auf einen Lkw in der Werkstatt,“ sagt der Chef und erläutert weiter. „Wir ersetzen unsere Lkw alle vier bis fünf Jahre und entscheiden uns jedes Mal wieder für MAN. Sie sind einfach so zuverlässig, angenehm zu fahren und leicht je nach Bedarf anzupassen. Und zwar nicht nur für den Winter, sondern auch für unser Baugeschäft im Sommer.“
Genauso wichtig wie ein zuverlässiger Fuhrpark ist für Ronny aber auch die richtige Einstellung seiner Mitarbeiter. „Auch wenn wir oft alleine in den Trucks unterwegs sind, müssen wir doch als Team zusammenarbeiten. Jeder muss sich die Hände schmutzig machen, egal in welcher Situation.“
Die Straßen sind zwar vom Schnee befreit, aber für Ola ist die Arbeit an diesem Tag noch nicht ganz getan. Den 33 Tonnen schweren TGS auf dem steilen Rückweg vom Berg zu bewältigen, ist keine Aufgabe für schwache Nerven. Ola aber bleibt cool und schaltet die Schneehobel zwischen Vorder- und Hinterachsen zu. Erneut füllt sich der Rückspiegel mit einer spektakulären Schneewolke über der Bergkulisse. Die gezackte Kante des Schneehobel raut die vereiste Oberfläche der Straße auf und bietet nicht nur den Autos den nötigen Halt, sondern auch ein zusätzliches Schutznetz für Ola. „Der Widerstand des Eishobels bietet eine entscheidende Bremsunterstützung beim Abwärtsfahren auf Eis. Man kann sich nicht über die Gesetze der Physik hinwegsetzen. Um ein Fahrzeug dieses Gewichts auf dem Eis zu bremsen, bedarf es jeder erdenklichen Unterstützung.“
Innerhalb weniger Stunden geht die Sonne hinter den Berggipfeln unter. Die Temperatur fällt wieder einmal von angenehmen minus 17 auf unter minus 30 Grad. „Der Wetterbericht sagt für heute Nacht minus 40 Grad voraus. Vielleicht gibt es ja einen neuen Rekord?“, scherzt Ola. Eines ist jedoch sicher. Es braucht schon mehr als das nordische Winterwetter, um Ola davon abzuhalten, am nächsten Tag erneut über die Straßen zu ziehen. „Ich liebe diese Arbeit. Jeder Tag ist anders. Etwas anderes würde ich nicht machen wollen.“
Text: Jamieson Pothecary
Fotos: Jamieson Pothecary