26.07.2022
Eine beeindruckende Lebensgeschichte: Guillaume Levaillant ist leidenschaftlicher Lkw-Fahrer, Geschäftsführer seines selbst gegründeten Transportunternehmens Paratrans – und seit seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr querschnittsgelähmt. Für den Unternehmer kein Grund stillzustehen. Ein Besuch im Norden Frankreichs bei einem echten Workaholic.
„Ich liebe das Lkw-Fahren! Sobald ich das Lenkrad umfasse, fühle ich mich wie im Urlaub“, sagt Guillaume Levaillant. Der 45-jährige Unternehmer hat seine Leidenschaft zu seinem Beruf gemacht. Heute ist er Geschäftsführer des Transportunternehmens Paratrans mit Sitz im nordfranzösischen Houdain, nicht unweit des Ärmelkanals. Dass er ein erfolgreiches und erfülltes Berufsleben haben würde, war für Levaillant jedoch nicht immer klar. Denn der Unternehmer ist querschnittsgelähmt – und hatte in seinem Leben schon mit diversen Schicksalsschlägen zu kämpfen.
„Meine Eltern lebten in der Nähe eines Bauernhofs, und da habe ich ab meinem neunten Lebensjahr bei der Ernte geholfen“, erinnert sich Levaillant an seine Kindheit. „Schon früh habe ich darum auf Traktoren und Mähdreschern gesessen und konnte diese schon bald selbst bedienen.“ Es folgte eine Berufsausbildung zum Landarbeiter und Landmaschinenführer, außerdem machte Levaillant seinen Lkw-Führerschein. Und er half weiter bei der Ernte, transportierte Rüben, fuhr große Maschinen.
Alles änderte sich jedoch im Jahr 1998, als er gerade mal 22 Jahre alt war. Levaillant hatte auf einmal starke Schmerzen im Bein. Die Diagnose war verheerend: Ein bösartiger Tumor drückte auf sein Rückenmark. Nach einer achtstündigen Notoperation konnte Levaillant seine Beine nicht mehr bewegen. Sechs Monate später war eine zweite Operation leider ebenfalls erfolglos – die Lähmung blieb. Es folgte ein sehr langer Krankenhausaufenthalt, Levaillant kämpfte im Anschluss mit starken Depressionen.
„Das war der Moment, als ich begriff, dass ich mich wieder zurück in mein Leben kämpfen muss“, sagt Levaillant heute. Er fasste den Entschluss, auf den Bauernhof zurückzukehren, der schon immer seine große Leidenschaft gewesen war. „Ich wollte unbedingt wieder arbeiten. Das war meine Rettung“, so der heutige Unternehmer. Seine Freunde unterstützen ihn und bauten ihm aus einem Teleskopkran einen Sitzlift, der es ihm ermöglichen sollte, Traktoren und Landmaschinen mithilfe einer Lenkrad-Schaltung zu bedienen.
Auch wenn seine Leidenschaft für Landmaschinen bis heute ungebrochen ist, hatte Levaillant bald den Wunsch, ein eigenes Transportunternehmen zu gründen. Bis dahin musste der Franzose jedoch noch einige Hürden überwinden – und zum Beispiel die Verlängerung seines Lkw-Führerscheins erreichen. „Nicht gerade einfach, wenn man im Rollstuhl sitzt und weder Brems- noch Gaspedal erreichen kann“, so Levaillant.
Von allen Nutzfahrzeug-Herstellern, die er kontaktierte und um Hilfe bat, bekam er nur von MAN Truck & Bus eine Antwort. Stéphane Montagne, damals MAN-Händler im nahegelegenen Arras, setzte sich persönlich für Levaillant ein – und lieh ihm eine Zugmaschine, die Levaillant mit personalisierten Bedienelementen sowie einer Bremse und einem Gashebel am Lenkrad ausstatten ließ. „Mit diesem Lkw habe ich dann auch meinen Führerschein erneuert – und fühlte mich großartig“, erinnert er sich. Die Leihgabe verhalf Levaillant aber nicht nur zu seinem Führerschein, sondern war auch die Basis für seine Unternehmensgründung.
„Mein Ansprechpartner bei MAN hat mir von Anfang Vertrauen geschenkt. Da mir die Banken keinen Kredit gewähren wollten, stellte mir MAN für die ersten sechs Monate meiner Unternehmensgründung ein Fahrzeug zur Verfügung, das ich erst nach Ablauf dieser Frist bezahlen musste“, erzählt Levaillant weiter. Die ersten Monate seines Unternehmens Paratrans waren aber gleich so erfolgreich, dass er schnell einen ersten eigenen Lkw bei MAN bestellen konnte.
Heute kann Levaillant auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken – und genießt seine Arbeitstage am Steuer seiner Lkw, alle von MAN, darunter auch zwei TGX, einer mit 500 und einer mit 580 PS. Beide sind mit Bedienelementen am Lenkrad ausgestattet. Auch das komplizierte Ein- und Aussteigen in das Fahrerhaus ist für Levaillant heute kein Problem mehr. Während er früher noch von seinen Freunden in die Kabine gehoben werden musste, verfügt er heute über eine Hebebühne, die ihn mitsamt Rollstuhl in wenigen Sekunden in die richtige Höhe fährt, sodass er problemlos einsteigen kann.
„Sobald ich im Lkw sitze, fängt mein Arbeitstag an“, erzählt Levaillant. Und der beginnt im Morgengrauen und ist lang. „Ich schlafe jede Nacht nur vier bis fünf Stunden, das reicht mir.“ Um 06:30 starte er dann seine Tour zum Sandsteinbruch von Pernes, der nur wenige Kilometer entfernt von seinem Haus liegt. „Jeder kennt mich dort, und ich habe nicht mehr Probleme als andere Fahrer“, sagt Levaillant. Im Steinbruch, wo täglich mehr als dreißig Lkw verkehren, händigt ihm eine Mitarbeiterin die notwendigen Dokumente direkt am Fahrerhaus aus, damit er seine Plattform nicht ausfahren muss. So verliert er keine Zeit. Nach der ersten Beladung um 7 Uhr geht es dann ohne Umwege zum Lieferort. Es folgen vier bis sechs, bei Bedarf auch bis zu zwölf weiteren Fahrten pro Tag. Zwischen 350 und 450 Kilometer legt der Geschäftsführer so jeden Tag zurück.
Mit seiner Firma Paratrans verlädt Levaillant aber nicht nur Sand und Kies, sondern seit vergangenem Jahr auch Rübenabfälle. Mit einem 480 PS starken MAN TGX mit einem großen Getreideauflieger fährt der Franzose dafür bis zum späten Abend über die Felder. Mehr als 2.700 Tonnen an Rübenabfällen wurden auf diese Weise zu Tierfutter verarbeitet oder für den Betrieb von Biogasanlagen genutzt. Ein florierendes Geschäft. Auf die Zukunft freut der umtriebige Workaholic ganz besonders. Neben seinem fordernden Job wolle er nun auch mithilfe von Freunden und Handwerkern sein Haus komplett renovieren. „Hauptsache, ich bleibe in Bewegung“, sagt Levaillant.
Text: Pierre Alain Brendel
Fotos: Jean Philippe Glatigny / Karl Lefebvre